Jitter

Zeitbasisabweichung bei digitalen Systemen

Im Zusammenhang mit digitalen Audioschnittstellen hört man immer wieder den Begriff Jitter. Die Digital-I/O-Karte Prodif 32 wird zum Beispiel mit einem Extreme Low Jitter Design von weniger als 4 ns beworben. Aber was sagt das überhaupt aus?

Definition
Bei jeder digitalen Überspielung ist eine Synchronisation der Samplingfrequenzen notwendig, die bei den sogenannten selbstsynchronisierenden Schnittstellen AES/EBU oder S/PDIF automatisch und vom Anwender unbemerkt abläuft. Dazu liest das aufnehmende Gerät Synchrondaten aus dem Eingangssignal aus und stellt seinen Takt danach ein. Es handelt sich um einen permanenten Regelvorgang in einem PLL-Kreis (Phase Locked Loop). Der Takt wird verlangsamt, wenn er zu schnell ist, und er wird beschleunigt, wenn er zu langsam ist. Dies geschieht so exakt und schnell, daß die maximale Abweichung kleiner ist als das Zeitfenster jedes Abtastwertes, der so sicher übertragen werden kann. Neben der Verschiebung der Zeitbasis durch Regelabweichungen kann auch die Wellenform des Signals aufgrund von Fehlanpassungen der Impedanzen und Wellenwiderständen sowie daraus resultierenden Leitungsreflexionen verzerrt werden. Auch daraus ergeben sich in den nachfolgenden Schaltungsstufen Beeinflussungen der Zeitbasis, da diejenigen Abschnitte des Rechtecksignals, die zum Auslesen der Daten relevant sind, durch Veränderung der Flankensteilheit nach vorn oder hinten verschoben werden. Die Summe dieser Abweichungen wird als Jitter bezeichnet und nun näher unter die Lupe genommen.

Aufgrund der Entstehung lassen sich verschiedene Ausprägungen des Jitter feststellen. Durch PLL-Regelkreise verursachte Zeitbasisabweichungen sind um die Soll-Abtastfrequenz statistisch gleich verteilt. In einem AES/EBU-Signal, welches neben den Clock-Daten auch noch Subcode-Informationen enthält, kann Jitter aufgrund der Art der Speicherung im Datenwort auch programmabhängig auftreten. Fehlanpassungen verursachen hingegen zufällige Abweichungen.

Wie klingt Jitter?
Ein digitales Audiosignal besteht aus einer Reihe von Abtastwerten, den Samples, die bei der (idealen) A/D-Wandlung in immer gleichen Zeitabständen aus dem Analogsignal gewonnen wurden. Verschieben sich nun in der digitalen Ebene die Zeitabstände nachträglich durch Jitter, wird bei der D/A-Wandlung nach wie vor aus jedem Sample der korrekte Spannungswert wiederhergestellt. Da dieser sich jedoch nicht an der richtigen Stelle auf der Zeitachse befindet, wird die Wellenform des Ausgangssignals verzerrt.

Diese Verzerrungen im Analogsignal treten in der gleichen zeitlichen Verteilung auf wie die Abweichungen von der Zeitbasis im Digitalsignal. Daher erzeugt programmabhängiges Jittern eine Art Intermodulationsverzerrung und zufälliges Jittern ein weißes Rauschen bei der Wiedergabe. Gleichverteiltes Jittern ist hingegen so gut wie nicht wahrnehmbar. Überhaupt sind die Auswirkungen eher gering und nur auf guten Abhöranlagen wahrnehmbar, aber eben durchaus vorhanden.

Schwarze Magie
Innerhalb der digitalen Ebene ist Jitter in den meisten Fällen harmlos. Zwar werden die Zeitabstände verschoben, aber um eine Fehlinterpretation des Zahlenwertes auszulösen, müßten die Abweichungen schon in der Größenordnung der Dauer eines Bits liegen. Hier handelt es sich aber um Ausmaße, die in der Praxis auch bei schlechten Übertragungsketten selten erreicht werden und dann auch sofort deutlich hörbar wären, da durch falsche oder fehlende Daten Klicks oder Aussetzer entstehen würden. Im Umkehrschluß bedeutet das, daß auch bei vorhandenem Jitter die Audiodaten korrekt übertragen und verarbeitet werden. Erst bei der Wandlung ins Analogformat treten dann die beschriebenen Effekte auf. Aus dieser Erkenntnis können wir die Regel ableiten, daß bei digitalem Kopieren von DAT-Bändern und digitalem Überspielen Ihrer Musik in den PC keine Qualitätsverschlechterung durch Jitter entsteht, diese ergibt sich erst beim Abhören.

Jedes Gerät, das von einem digitalen Signal durchlaufen wird, fügt weitere Abweichungen hinzu. Daher ist Jitter kumulativ, es wird also mit jedem weiteren Glied in einer digitalen Kette stärker. Stellt Euch vor, Euer Signal gelangt vom Digitalausgang Eures Samplers in ein digitales Mischpult, durchläuft über einen digitalen Aux-Weg ein Effektgerät und gelangt dann zum 4-Kopf-DAT-Recorder, über dessen digitale Hinterbandkontrolle Du das Signal schließlich abhörst. Wie dieses Signal klingt, ist abhängig vom Zusammenwirken aller im Übertragungsweg vorhandenen PLLs und deren Fähigkeit, Jitter zu unterdrücken. Nach einer so langen Kette sind die Auswirkungen aber in der Regel hörbar. Und nun kommt das Unglaubliche: Wenn Du Dir danach die Aufnahme anhörst, sind die durch Jitter verursachten Verzerrungen, die Du im Monitorweg während der Aufnahme deutlich gehört hast, plötzlich spurlos verschwunden! Die Begründung ist leicht nachvollziehbar: Wie wir gesehen haben, wurden die übertragenen Daten ja nicht verändert, in der aufgezeichneten Information kommt Jitter nicht vor. Beim Abspielen des Bandes ist nun nicht mehr die lange Kette von PLLs aktiv, sondern nur noch ein einziger Clock-Generator im DAT-Recorder, der keine so stark hörbaren Verzerrungen mehr erzeugt.

An verschiedenen Orten
Wie Du nun weißt, ist das Auftreten von Jitter oft unkritisch. Aber an machen Stellen muß man dafür umso mehr aufpassen. Der mit Abstand jitterempfindlichste Teil einer digitalen Übertragungskette ist der A/D-Wandler. Seine Aufgabe besteht darin, in exakt gleichen Zeitabständen analoge Spannungswerte in Digitalzahlen umzuwandeln. Erfolgt das Erfassen der Werte zur falschen Zeit, hat sich die Spannung schon wieder geringfügig geändert, wodurch ein Fehler verursacht wird, der später nicht mehr korrigierbar ist. Das Erfassen zur falschen Zeit wird aber gerade dann provoziert, wenn der Arbeitstakt Jitter enthält. Aus diesem Grund sollten A/D-Wandler möglichst mit Ihrem internen Taktgenerator betrieben werden, dessen Quarz eine sehr stabile Frequenz erzeugt. Aber bereits in einer digitalen Mehrspurumgebung wird man diesen Grundsatz nicht konsequent umsetzen können, da hier die Wandler zu schon aufgenommenen Spuren oder anderen Wandlern zwangsweise synchronisiert werden müssen. Daher solltest Du in diesem Fall die zweitbeste Möglichkeit wählen, nämlich die externe Synchronisation mit einem hochwertigen Taktgenerator über den Wordclock-Eingang.

Innerhalb eines Computerprogrammes kannst Du Dein Signal ähnlich wie im oben genannten Beispiel ebenfalls durch Mischpulte und Effekt-PlugIns routen. Im Gegensatz zu den Hardware-Pendants ergeben sich hier jedoch überhaupt keine Probleme durch Jitter, da der gesamte Computer von einem einzigen Clocksignal gesteuert wird und alle intern ablaufenden Berechnungen nacheinander Samplewort für Samplewort abgearbeitet werden. Die einzelnen Effekte müssen hier nämlich nicht einem schwankenden Eingangssignal folgen und an Ihrem Ausgang eine neue Sample Rate erzeugen. Trotzdem sind gerade Computer für Jitterprobleme bekannt. Die Ursache liegt hier in den Digital-I/O-Karten, denn es ist sehr schwer, ein Digitalinterface im Rechner mit einem sauberen Clocksignal zu speisen. Störungen der Masseverbindungen und der Spannungsversorgung auf der einen Seite, Einstreuungen durch andere Clock-Oszillatoren des Motherboards auf der anderen Seite können nur mit großem Schaltungsaufwand von der Digitalkarte ferngehalten werden. Daher kann man bei der Einstellung von DSP-Effekten leicht beeinflußt werden und die Qualität für zu schlecht halten, obwohl in Wirklichkeit das abgehörte Signal nur durch Jitter beeinflußt wird und eine mit dem gleichen System gebrannte CD-R später einwandfrei klingt.

Wer Audiodaten vom DAT-Band auf eine CD-R überträgt, hat vielleicht ebenfalls schon einmal den Eindruck gehabt, daß die CD-R hinterher besser klingt. Das ist keine Einbildung, sondern tatsächlich oft der Fall. Der Grund besteht darin, daß die Wiedergabe eines CD-Players viel gleichmäßiger erfolgt als die eines DAT-Recorders. Und selbst auf verschiedene Art und Weise hergestellte CDs können unterschiedlich klingen. Zwar werden die Daten der CD im Player zunächst in einen FIFO (First In First Out) eingelesen und aus diesem dann abgespielt, aber beispielsweise über die Spannungsversorgung können geringe Anteile von Ungleichmäßigkeiten des Eingangssignales auf den Ausgang übertragen werden, und das menschliche Ohr reagiert sehr sensibel auf Verzerrungen. So klingen CDs, die auf Stand-Alone-Recordern aufgenommen wurden, aufgrund der Anbindung des Recorders über AES/EBU theoretisch schlechter als die gleichen Aufnahmen über einen SCSI-CD-Brenner am Computer, denn auch ein noch so guter PLL im AES/EBU-Eingang ist nicht so gut wie ein fester Quarzoszillator. Inwieweit die Unterschiede dann tatsächlich hörbar sind, hängt von der Qualität der Geräte ab.

Weil bei der Reduzierung von Jitter so viele Punkte zu berücksichtigen sind und selbst FIFO-Puffer nicht sämtliche Probleme beseitigen, arbeiten die derzeit besten Masteringsysteme mit RAM-Speicher. In diesen wird der komplette Datenträger überspielt, danach kann das Quell-Laufwerk abgeschaltet werden. Die unbeeinflußten Datenworte werden dann mit einem extrem stabilen Clocksignal ausgelesen. Da bei diesem Abspielvorgang der Einfluß des ursprünglichen Datenträgers komplett entfällt, sind tatsächlich alle Wechselwirkungen ausgeschlossen und das Resultat ist nur von der Stabilität der Clock abhängig.

Zusammenfassung
Jitter ist an den meisten Stellen unschädlich und kann glücklicherweise oft im Nachhinein wieder entfernt werden. Für die Signalqualität kritisch ist Jitter hauptsächlich bei der A/D-Wandlung. Zwar nicht schädlich, aber sehr störend ist es beim digitalen Monitoring. Digitale Kopiervorgänge werden dagegen nicht durch Jitter beeinflußt. Um Jitter zu vermeiden, werden stabile Oszillatoren, gute PLLs und möglichst getrennte Spannungsversorgungen der einzelnen Schaltkreise benötigt. Gute Wandler mit hohem Hardwareaufwand erreichen Werte unter 200 ps (Pikosekunden), in der besonders problematischen Umgebung innerhalb eines Computers sind aber auch die oben genannten 4 ns (Nanosekunden) ein wirklich guter Wert. Wichtiger als der absolute Wert ist dabei die statistische Verteilung des Jitters, die zu unterschiedlich auffälligen Verzerrungen des Analogsignals führt.


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